Barrierefreiheit im Design – Die ideale Balance finden
Wo gestaltet wird, ist Leidenschaft im Spiel. Einmal angefangen, passiert vieles aus dem Bauch heraus. Bei HENKELHIEDL legen wir großen Wert auf Barrierefreiheit – ein wichtiger Aspekt für digitale Produkte, der mit vielen Richtlinien verbunden ist. In einem internen Weiterbildungsworkshop im Designteam sprechen wir über inklusives Design und unsere damit verbundene Verantwortung. Dieser Artikel gibt Einblick in unsere Diskussion und Haltung zum Thema.
tl;dr: Manchmal sind Regeln unverzichtbar, denn durch klare Vorgaben entstehen oft bessere Ergebnisse – in der Regel zumindest.
Kleiner Button, großer Unterschied
Während unseres internen Workshops zum Thema Barrierefreiheit stellten wir Designer:innen bei HENKELHIEDL fest, dass wir einen unterschiedlichen Wissensstand haben und ein konstanter Austausch unumgänglich sein wird. Vieles wussten wir bereits, aber die Aussicht künftig intensiver die Richtlinien der Europäischen Norm EN 301 549 für das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) zu befolgen, ist ein neues Gefühl für uns.
Wusstet ihr, dass ein simpler »Mehr erfahren« Button nicht unbedingt barrierefrei ist? Menschen mit Sehbeeinträchtigungen, die Screenreader verwenden, um Webseiten zu durchsuchen, können Schwierigkeiten haben, einen »Mehr erfahren« Button zu erkennen, wenn er nicht mit einem klaren Textlabel versehen ist, das seine Funktion beschreibt. Ebenso könnten Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen Schwierigkeiten haben, den Zweck des Buttons zu verstehen, wenn er nicht ausreichend beschreibend ist. Solche Buttons sollten klare Textbeschriftungen haben oder alternative Methoden zur Verfügung stellen, um zusätzliche Informationen bereitzustellen.
Barrierefreiheit betrifft uns alle
Unsere Kollegin Katrin hat uns souverän durch die Materie geführt und dabei geholfen, ein gemeinsames Verständnis aufzubauen. In Begriffen und Definitionen stecken bereits viele Aspekte und damit die Chance zur Horizonterweiterung. Zum Beispiel: Eine Behinderung ist eine Bedingung, die eine Person daran hindert, bestimmte Aufgaben auf die gleiche Weise wie eine Person ohne diese Bedingung auszuführen. Diese Definition verdeutlicht schnell, dass »Behinderung« – physisch, kognitiv, emotional oder sensorisch – ein breites Spektrum von Menschen umfasst und von Person zu Person unterschiedlich sein kann.
Es könnte eine Person mit Brille sein, eine Person mit verminderter Sehfähigkeit, eine Person mit einem Kind auf dem Arm, eine Person, die nur ihren Zeigefinger nutzen kann, um etwas zu steuern, eine Person, die nur sprechen kann oder gar nicht sprechen kann, eine Person mit mehreren dieser Einschränkungen und viele andere. Die Liste ist endlos fortsetzbar. Im Verlauf des Workshops kommen wir schnell dahin, dass wir uns selbst auch auf dieser Liste wiederfinden könnten. Sich vorzustellen, wie unter diesen Bedingungen ein Umgang mit Computern, Handys, Websites, Apps usw. nutzerfreundlich sein kann, verdeutlicht die Bedeutung von Barrierefreiheit im Alltag.
Design für alle: Kreativität für mehr Teilhabe
Unsere täglichen beruflichen Herausforderungen erstrecken sich von der klaren Kommunikation einer bestimmten Botschaft bis hin zur Visualisierung komplexer Daten und der Entwicklung einer einprägsamen visuellen Identität für Marken oder Produkte. Insbesondere im Kontext Webdesign konzipieren wir umfangreiche Stile für Inhalte und Sprache, strukturieren Informationshierarchien, gestalten Navigationen und streben dabei visuelle Konzepte an, die sowohl ästhetisch ansprechend als auch funktional zugänglich sind. Wir sind ständig auf der Suche nach effektiven Lösungen, um die vielfältigen Bedürfnisse unserer Kund:innen und Nutzer:innen zu erfüllen.
Ein erfolgreiches Design kommuniziert niemals ausschließlich über Ästhetik. Als Designer:innen treffen wir nonstop Entscheidungen und nutzen dazu Farben, Kontraste, Schriftarten, Typografie, Symbole, Bildsprache und weitere gestalterische Mittel, um Inhalte zu inszenieren. Wir streben idealerweise eine Gestaltung an, die frei von rein subjektivem Geschmack ist, und richten unsere Kreativität und Analysefähigkeiten stets am Verständnis für die Zielgruppe und die Ziele des Projekts aus. In unserer Arbeit steht daher automatisch der Mensch im Fokus.
Wir diskutieren darüber, dass Aspekte von Barrierefreiheit schon immer in der Gestaltungsarbeit präsent waren. Doch nun, angesichts gesetzlicher Vorgaben, sind wir Designer:innen nicht nur dazu aufgerufen, sondern je nach Projekt und Briefing auch verpflichtet, diese Aspekte zu berücksichtigen. Doch diese Verantwortung liegt nicht nur bei uns Designer:innen, Konzepter:innen und Entwickler:innen, sondern sollte von allen getragen werden – auch von Kund:innen, von Unternehmen und von der Gesellschaft insgesamt. Es geht um nichts Geringeres als die Förderung von demokratischem Design und Teilhabe für alle.
Nützliche Quellen für barrierefreies Design
Bei HENKELHIEDL entwickeln wir uns kontinuierlich weiter und setzen uns dabei immer entschiedener für die Beseitigung von Barrieren ein. Für uns Gestalter:innen bedeutet das, neben unserem Ehrgeiz inspirierende Layouts zu entwickeln, stets auch die Berücksichtigung von Zugänglichkeit und Benutzerfreundlichkeit in unsere Prozesse einzubeziehen. Wir arbeiten mit diversen Tools, internen Checklisten und interdisziplinären Abstimmungen, bilden uns individuell weiter und nutzen dazu verschiedene Kanäle für tiefergehende Informationen.
Diese Quellen helfen uns dabei:
- W3C Recommendation
- Styleguide der Bundesregierung
- leserlich.info
- Google-Fonts: Introducing accessibility in typography
- Accessibility Checker
- Contrast Checker
Gestaltung als Verantwortung
Ein inklusives Design zu entwickeln ist sehr anspruchsvoll und muss auch in Budgets reflektiert werden. Wichtig zu verstehen ist, dass es selten darum geht, perfekte Barrierefreiheit zu erreichen, sondern ein Ziel, wie AA bereits einen erheblichen Fortschritt darstellt. Wir haben viele Möglichkeiten, um unterschiedlichen Bedürfnissen und Ansprüchen gerecht zu werden, sofern Kund:innen dann auch bereit sind, den nötigen Aufwand anzuerkennen.
Unsere Projekterfahrung erweitert sich kontinuierlich, und an dieser Stelle möchten wir auf einige beispielhaft hinweisen:
- Zeppelin Museum Friedrichshafen
- HKW Haus der Kulturen der Welt
- TV für Alle
- Hier eine Übersicht aller Projekte zum Thema
Unsere ständige Auseinandersetzung hilft uns zu erkennen, dass Barrierefreiheit die Benutzererfahrung für alle verbessern kann, ohne dass das Design darunter leidet. Vielfalt und Inklusion werden immer wichtiger, es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir Gestalter:innen uns einer Verantwortung neu bewusst werden: unsere Arbeit schafft Verbindungen zwischen Mensch und Information. Design ist eben nicht nur eine kreative Ausdrucksform, sondern auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen, die mit unserem Design interagieren müssen. Gestaltung ist daher nicht nur ästhetisch, sondern auch funktional und bedeutungsvoll. Gestaltung ist immer Haltung.
Wir haben eine kleine Serie von weiteren Artikeln zum Thema Barrierefreiheit veröffentlicht:
Hier geht es zu Teil 1 der Serie:
»Die absoluten Basics«
Hier geht es zu Teil 2 der Serie:
»Checkliste barrierefrei Website«
Hier geht es zu Teil 3 der Serie:
»Das Barriere-freiheits-stärkungs-gesetz«
Text im Original: Christian Rogge