November 2025

Rückblick »SIMPLEX«: Das war doch gar nicht so schwer, oder?

Blick von hinten in den voll besetzten Veranstaltungsraum bei GE59 und HENKELHIEDL. Das Publikum sitzt in einem dichten Stuhlkreis und blickt zur Mitte, im Vordergrund ist unscharf eine Pflanze zu sehen.

Wie wird ein Gespräch über Quantenphysik und Darmbakterien zu einem Abend mit Aha-Moment? Bei unserem Talk-Abend »SIMPLEX« auf der Berlin Science Week haben wir genau das gemacht – Schwere Dinge, aber ganz einfach und verständlich.

Voll war es. So voll, dass uns für einen Moment die Worte fehlten. Unser Talk-mit-Ausstellung »SIMPLEX« am Montagabend (03. November 2025) im Rahmen der Berlin Science Week 2025 war bis auf den letzten Platz gefüllt. Das Thema: »Wie wir schwere Dinge einfach machen können / wollen / sollten?«. Die Energie im Raum: fantastisch.

Es ging um Darmbakterien, Eiskunstlauf, Aristoteles, Stromkreise und Quantenphysik. Vor allem aber ging es darum, wie wir (vom Stammtisch über die Tagesschau bis zur Vorlesung) Wissenschaft erzählen, miteinander sprechen und gemeinsam etwas daraus machen können. Das alles wäre nichts ohne die Menschen, die diesen Abend zu dem gemacht haben, was er war.

Ein riesiges Dankeschön an unsere wunderbaren Gäst:innen, die Biotechnologin und Wissenschaftskommunikatorin Lisa Budzinski und den Chefredakteur des Magazins Science Notes Thomas Susanka, für Einblicke, Impulse und ein paar lustige Geschichten. Danke an Felina Czycykowski für die brillante Moderation, an den Künstler Felix Bork für den humorvollen Rahmen und natürlich an euch alle fürs Da- und Neugierig-Sein.

Für alle, die (leider) draußen bleiben mussten oder nicht kommen konnten, haben wir hier die sechs zentralen Impulse des Abends zusammengefasst. Und am Ende gibt es auch noch ein paar ganz persönliche Dinge, die wir mitnehmen.

Die Talk-Gäste bei SIMPLEX in einer Reihe, sitzend auf Stühlen. V.l.n.r Felix Bork, Thomas Susanka, Lisa Budzinski, Veranstalterin Bärbl Hiedl und Felina Czycykowski
Die Talk-Gäste bei »SIMPLEX« v.l.n.r Felix Bork, Thomas Susanka, Lisa Budzinski, Veranstalterin Bärbl Hiedl und Moderatorin Felina Czycykowski

Unser Mini-Werkzeugkasten für den sogenannten Hinterkopf, gefüllt mit ein paar Impulsen, die dabei helfen, das nächste schwere Thema leichter anzupacken.

1. Der Zielgruppen-Kompass: Für wen sprichst du eigentlich?

»Der erste Schritt ist eigentlich nicht zu überlegen, wie kompliziert es ist, sondern für wen will ich denn überhaupt etwas erklären und was könnte diese Person auch interessieren?« – Thomas Susanka


Der Schlüssel zum Verstehen liegt oft nicht im Thema selbst. Die wichtigste Frage lautet: Wer ist mein Gegenüber und was interessiert diese Person? Eine simple Übung macht das klar: Schnapp dir einen beliebigen Fachtext. Schreib auf kleine Zettel verschiedene mögliche Zielgruppen – »ein 10-jähriges Kind«, »deine Oma«, »ein:e Manager:in, die nur 30 Sekunden Zeit hat«. Dann zieh einen Zettel und versuch, alles für genau diese Person zu erklären. Du wirst merken: Wir alle besitzen die Fähigkeit zur Übersetzung. Die Übung hilft uns, die Perspektive zu wechseln und uns ganz automatisch auf das Wesentliche zu konzentrieren.

2. Die Anatomie der Glaubwürdigkeit: Kompetenz, Integrität und Wohlwollen.


»Das letzte ist vielleicht in diesem Fall das Wichtigste, weil ich merke, oh ja, da will mir jemand was erklären, der macht ein Effort, der strengt sich an.« – Thomas Susanka


Je komplexer ein Thema, desto mehr sind wir auf Glaubwürdigkeit angewiesen. Wir können nicht jede Klimastudie selbst prüfen oder jedes Impfstoff-Paper analysieren. Wir müssen vertrauen. Aber wem glauben wir eigentlich – und warum? Die Antwort ist zeitlos und geht bis auf Aristoteles zurück: Glaubwürdigkeit beruht demnach auf drei Säulen. Wir vertrauen Menschen, die kompetent sind (Sachkenntnis), eine ethische Haltung haben (Integrität) und uns Wohlwollen entgegenbringen. Gerade der letzte Punkt ist entscheidend. Wir spüren, wenn sich jemand aufrichtig bemüht, verständlich zu sein und mit uns zu sprechen.


3. »Das ist wie… – ein guter Vergleich«: Warum sind Darmbakterien wie eine Fußballmannschaft?


Oft stecken wir bei komplexen Themen in unterkomplexen Darstellungen fest: Ist dieses Bakterium gut oder schlecht? Soll ich das tun oder lassen? Indem man ein Bild findet, das alle kennen, können wir dieses Eins-oder-Null-Denken aufbrechen. Und sogar komplexe Zusammenhänge, Netzwerke, Abhängigkeiten etc. erklären. Ein Beispiel von Lisa Budzinski: Statt über Laktobazillen zu referieren, kann man das Mikrobiom als Sportteam beschreiben. Es gibt verschiedene Spieler:innen mit unterschiedlichen Aufgaben, die nur als Team funktionieren und regelmäßig trainiert werden müssen. Dieser simple Kniff öffnet Türen, senkt die Hemmschwelle und lädt sofort zum Mitdenken ein.


»Wenn wir uns die Darmbakterien so vorstellen, dann merken wir relativ schnell, dass es nicht ein Bakterium geben kann, das alles kann. Wir bemerken, dass sie zusammenarbeiten müssen und wir bemerken, dass wir sie trainieren müssen.« – Lisa Budzinski
Screenshots von drei Instagram-Posts und Storys zur Veranstaltung SIMPLEX bei der Berlin Science Week 2025

4. Gleicher Inhalt, anderes Setting: Vom Hörsaal in den Club.


»Wir haben gedacht, ein Faktor könnte sein, wenn wir das Setting ändern. Und wir gehen in einen kleinen Club … Und das Tolle an dem Abend war, es hat geklappt.« – Thomas Susanka


Manchmal lohnt es sich, einfach die Tür zu wechseln, um einen neuen Zugang zu einem Thema zu schaffen. Wenn Wissenschaft aus dem Hörsaal in einen Club verlegt wird, wie bei den Events von Science Notes – mit Live-Musik und guter Atmosphäre – entsteht eine völlig neue Zugänglichkeit. Es geht darum, einen emotionalen und kulturellen Rahmen zu schaffen, noch bevor die intellektuelle Auseinandersetzung überhaupt beginnt. Die Botschaft: Wenn sich der Rahmen gut anfühlt, sind wir auch bereit, uns auf schwere Inhalte einzulassen.


5. Neugier ist ansteckend: Fragen statt Antworten


(Wissenschafts-)Kommunikation liefert nicht nur Antworten, sie weckt auch Fragen. Denn manchmal geht es gar nicht darum, alles lückenlos zu erklären, sondern die Leute überhaupt erst »neugierig zu machen«. Da soll ein Funken überspringen, der dazu anregt, sich selbst weiter mit einem Thema zu befassen. Der ganze Abend bei »SIMPLEX« war der beste Beweis dafür: Er kam zustande, weil Neugier da war, er funktionierte, weil das Publikum neugierig war, und er wirkt nach, weil er Neu-Neugier geweckt hat.


»Mir macht dieser Abend gerade Mut, weil ihr alle gekommen seid und weil es Interesse daran gibt, weil es Neugier ausgelöst hat, weil wir diskutiert haben.« – Lisa Budzinski


6. Vielfach statt einfach: »Einfach machen« ist nicht immer die Lösung.


Was ist eigentlich das Gegenteil von »einfach«? Nicht nur »schwierig«, sondern vor allem »vielfach«. Wenn wir Dinge zu stark vereinfachen, berauben wir uns der ganzen Faszination, die in den Details steckt. Wir bügeln die spannenden Ecken und Kanten glatt, bis nur noch eine unzugängliche Fläche übrig bleibt. Manchmal liegt die Schönheit eben nicht in der simplen Antwort, sondern im gemeinsamen Staunen über die Komplexität. Es geht darum, die Vielfalt wertzuschätzen, auch wenn – oder gerade weil – wir sie nicht bis ins letzte Detail verstehen.


»Ich finde eigentlich einfach gar nicht immer gut. Wenn ich etwas einfach mache, dann nehme ich ja auch etwas von der ganzen Vielfalt weg.« – Thomas Susanka
Screenshots von drei Instagram-Posts zur Veranstaltung SIMPLEX bei der Berlin Science Week 2025: Büher und Postkarten von Felix Bork, große Talk-Runde mit vielen Menschen, Poster von Science Notes an einer Wand.

In eigener Sache: Was wir vom Event mitnehmen


Neben den vielen inhaltlichen Learnings aus dem Abend gibt es natürlich noch ganz handfeste Dinge, die wir mitnehmen. Und weil das ja auch anderen helfen kann, denken wir, es ist eine gute Idee, das einfach und ganz transparent ins Internet zu schreiben.

Frontal <> Surround:


Für uns war der Abend ein Experiment in Sachen Sitzordnung. Wir wollten die klassische Frontalbeschallung in einen »Surround Sound« des Austauschs verwandeln. Also: kein Podium mit Anstandsabstand, sondern der Talk mitten im Raum, das Publikum außen herum, kreisrund. Das ging auf. Es wurde persönlicher, näher und aktiver, weil alle die Gesichter der anderen sehen konnten. Die Idee einer echten »Fishbowl« scheiterte zwar an der Realität – es war einfach zu voll. Macht aber nichts, denn das Hauptziel war erreicht – Interaktion, Wortmeldungen und ein Gespräch unter Vielen.


Sprechen <> Zuhören:


Ein Setting ist nur so gut wie die Menschen, die es füllen. Der Abend hat funktioniert, weil alle da waren, um ins Gespräch zu kommen. Unsere Gäst:innen und die Moderatorin waren nicht nur zum Senden da, sondern selbst neugierig. Das Publikum war nicht nur zum Zuhören da, sondern steckte voller kluger Impulse. Genau diese Dynamik, bei der alle senden und empfangen, macht einen guten Austausch aus. Danke an dieser Stelle auch an IT Audio für den perfekten Ton, der das alles erst möglich machte.


Kunst <> Wissenschaft:


Schwere Themen brauchen einen leichten Rahmen. Der Abend hat wieder gezeigt, wie gut dieses Zusammenspiel funktioniert. Ob die Illustrationen von Felix Bork, Lisas Science-Slams oder Thomas Events in Clubs – die Verbindung von Kunst, Kultur und Wissenschaft schafft genau die nahbaren Zugänge, über die wir den ganzen Abend gesprochen haben.

PS: Das war »SIMPLEX – Wie wir schwere Dinge einfach machen können / wollen / sollten?« – Und hier auch noch ganz bildhaft:

Andreas Henkel hängt mit einem Hammer und einer Laser-Wasserwaage ein gerahmtes Bild von Felix Bork an eine weiße Ziegelwand für die SIMPLEX-Ausstellung.
Nahaufnahme des Verkaufsstands von Felix Bork. Zu sehen sind seine Bücher »Und was isst du dann?« und ein Poster mit dem Titel »Bunte Steine«.
Nahaufnahme der Talkgäste und des Publikums beim SIMPLEX Event. Die Teilnehmenden sitzen in einem Stuhlkreis und lauschen dem Gespräch in einer konzentrierten, aber entspannten Atmosphäre.
Eine Gruppe von Gästen steht zusammen und unterhält sich in lockerer Atmosphäre nach dem SIMPLEX-Talk.
Zwei Gäste (Thomas Susanke, Lisa Budzinski) unterhalten sich angeregt nach dem SIMPLEX-Talk. Die Moderatorin Felina Czycykowski rechts lacht herzlich und hält ein gerolltes Poster in der Hand.

Wer bei kommenden Veranstaltungen dabei sein will, meldet sich am besten für unseren Newsletter an oder folgt uns auf LinkedIn und Instagram. Also, bis zum nächsten Mal!

PS: Und weil zu Kunst und Kultur auch Musik gehört (na klar), haben wir (also Uwe Viehmann) für den Abend eine besondere Playlist zusammengestellt. Unter dem Motto »Simplex (Pop)« versammeln sich Pop-Songs, die sich mit den Basics des Lebens beschäftigen oder auch mal nur im Titel oder Refrain etwas »Simples« haben. Manche davon sind »so nebenher«, viele »richtig toll«, einige nur »for fun« – und ein faules Ei soll sich auch eingeschlichen haben.

Auch interessant